Retinoblastom

OMIM-Nummer: 180200, 614041 (RB1)

Dr. rer. nat. Anne Holtorf, M.Sc. Sarah Heinrich

Wissenschaftlicher Hintergrund

Das Retinoblastom ist ein seltener maligner Tumor der Retina. Da der Tumor aus der sich entwickelnden Netzhaut hervorgeht, tritt er fast ausschließlich bei Kindern vor dem 5. Lebensjahr auf. Die Inzidenz beträgt etwa 1:15.000-20.000 Neugeborene.

Ursächlich für die Entstehung von Retinoblastomen sind Funktionsverlust-Mutationen in beiden Allelen des RB1-Gens. RB1 ist auf Chromosom 13q14.2 lokalisiert, besteht aus 27 Exons und 2787 bp. Das RB1-Protein (pRB) ist 929 Aminosäuren lang und als Tumorsuppressor an der negativen Regulierung der Zellzyklusprogression beteiligt. Der Funktionsverlust von pRB kann zur unkontrollierten Zellteilung und damit zur Entartung von betroffenen Zellen führen. Die Inaktivierung kann durch Punktmutationen, Spleißmutationen, Deletionen kleiner oder größerer Genabschnitte, oder Deletion des gesamten Gens hervorgerufen werden. Bei etwa der Hälfte der Patienten handelt es sich um somatische Mutationen in RB1 und damit um ein sporadisches Retinoblastom. Meistens weisen die Patienten ein unilaterales und unifokales Retinoblastom auf. In sporadischen Tumoren ohne somatische RB1-Mutationen können mitunter eine Hypermethylierung des RB1-Promotors oder eine Amplifikation des MYCN-Gens ursächlich sein. Die andere Hälfte der Betroffenen sind Träger einer RB1-Keimbahnmutation, so dass nur eine somatische Mutation im zweiten RB1-Allel nötig ist, um das pRB zu inaktivieren (Zwei-Treffer-Hypothese nach Knudson). Das Auftreten von multifokalen oder bilateralen Retinoblastomen ist ein Hinweis auf das Vorliegen einer solchen erblichen RB1-Mutation. Das durchschnittliche Erkrankungsalter ist hierbei oft jünger. Anlageträger besitzen zudem ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens weitere Tumorerkrankungen zu entwickeln, z.B. Osteo-, Weichteilsarkome, Melanome oder Lungentumoren.

Die molekulargenetische Analyse von RB1 wird allen Patienten mit uni- oder bilateralem Retinom oder Retinoblastom empfohlen. Viele Kinder mit Keimbahnmutation sind Träger einer de novo-Mutation und weisen somit eine unauffällige Familienanamnese auf. Bei Nachweis einer Keimbahnmutation werden Anlageträger in intensive Vorsorgeprogramme aufgenommen. Blutsverwandte Risikopersonen können gezielt untersucht und Anlageträger identifiziert werden, und ebenfalls frühestmöglich in die Krebsvorsorge aufgenommen werden. Das hereditäre Retinoblastom wird autosomal-dominant vererbt, es besteht somit ein 50%-iges Risiko, die Keimbahnmutation an Nachkommen zu vererben. Die prädiktive Untersuchung von Nachkommen sollte schnellstmöglich nach der Geburt nach einer genetischen Beratung durchgeführt werden.

Hinweis zur prädiktiven Diagnostik:

Bei der prädiktiven Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Laut Gendiagnostikgesetz (GenDG) soll bei jeder diagnostischen genetischen Untersuchung eine genetische Beratung angeboten werden. Bei prädiktiver genetischer Diagnostik muss laut GenDG vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats genetisch beraten werden (§10, Abs. 2 GenDG). Eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn eine schriftliche Verzichtserklärung der Risikoperson nach schriftlicher Aufklärung über die Beratungsinhalte vorliegt.

Literatur

Lohmann et al. 2018, Retinoblastoma, GeneReviews®, www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1452/ / Bornfeld et al. 2018, Dtsch Arztebl Int 115:106 / Frenkel et al. 2016, Exp Eye Res 146:313 / Jenkinson et al. 2015, Arch Dis Child 100:1070 / Dimaras et al. 2012, Lancet 379:1436

Indikation

V.a. hereditäres Retinoblastom

Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben:

  • Diagnose: Retinoblastom (ICD-10 Code [C69.2])
  • Auftrag: Molekulargenetische Analyse RB1
     

SchriftlicheEinwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich

2 ml EDTA-Blut

ca. 10-15 Werktage / 2-3 Wochen