Kopplungsanalysen
Dr. rer. nat. Steffen Lott
Man spricht von Kopplung, wenn eine Krankheit zusammen mit einem genetischen Marker überzufällig häufig vererbt wird. Dabei ist ein genetischer Marker definiert als eine polymorphe DNA-Sequenz, die in mindestens zwei Varianten vorkommt und deren Varianten nicht seltene Allele sind. Als Marker kommen zur Anwendung:
- Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs)
- Mikrosatelliten
- Restriktionsfragmentlängen-Polymorphismen (RFLP)
Die meisten in der Forschung eingesetzten Marker sind neutrale genetische Varianten und stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer Krankheit, da sie sowohl bei Gesunden als auch bei Erkrankten auftreten. Voraussetzung für eine Kopplungsanalyse (in der Genetik auch als “indirekte Diagnostik” bezeichnet) ist, dass der Marker-Locus mit der zu analysierenden Mutation gekoppelt, d.h. auf einem Chromosom bzw. Allel lokalisiert ist.
L (ϕ)= ϕ r (1– ϕ) s
Anschließend wird der Quotient Z(ϕ)= L(ϕ)/L(0,5) gebildet, der die Rekombinationswahrscheinlichkeit L(ϕ) der Wahrscheinlichkeit freier Rekombination gegenüberstellt. Der Sinn dieses Quotienten besteht darin, die Güte der Schätzung L(ϕ) zu beschreiben: je größer der Quotient, desto größer ist die Güte.
Um das Rechnen mit dem Quotienten zu erleichtern, wird der Logarithmus mit der Basis 10 gebildet, der als Lod (logarithm of the Odds) Score bezeichnet wird und ein Maß für das Vorliegen von Kopplung darstellt. Ein Lod Score > 3 wird allgemein als ein Wert betrachtet, bei dem eine Kopplung anzunehmen ist, da hier die Kopplungswahrscheinlichkeit 1:1.000 beträgt und damit freie Rekombination fast ausgeschlossen werden kann. Bei einem Lod Score < 2 kann eine Kopplung hingegen ausgeschlossen werden. Das Argument ϕ beim Maximum des LodScores ist die maximal wahrscheinliche Rekombinationsfraktion.
Risikoberechnung bei der indirekten Gendiagnostik
Der Anteil der Gene und Mutationen, die zu erblichen, monogenen Erkrankungen beim Menschen führen und die einer direkten Genanalyse zugänglich sind, wächst derzeit rasch an. Eine direkte Genanalyse ist allerdings erschwert, wenn intragenische Heterogenie vorliegt, d.h. wenn verschiedene Mutationen an einem Genort vorliegen, die außerhalb der routinemäßig analysierten Anteile (kodierende Sequenzen und Spleißstellen) zu derselben Krankheit führen können. In einigen dieser Fälle besteht die Möglichkeit einer indirekten DNA-Diagnostik, die mittels Kopplungsanalyse durchgeführt wird. Hierdurch ist es möglich, die Vererbung des polymorphen Markers in einer Familie zu verfolgen und dies mit dem Auftreten der Erkrankung zu korrelieren.
In dieser Vorgehensweise liegt jedoch zugleich eine Problematik der indirekten Analyse. Das Ergebnis einer indirekten Gen-Analyse ist die Angabe einer Wahrscheinlichkeit des Erkrankungsrisikos anstatt eines Nachweises der krankheitsauslösenden Mutation. Zur Berechnung des Erkrankungsrisikos kann das Theorem von Bayes eingesetzt werden. Dieses Theorem erlaubt das Kombinieren von Einzelwahrscheinlichkeiten zu einer Gesamtwahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeiten können durch die Analyse der Familienstammbäume ermittelt werden. Laut dem Bayes´schen Theorem wird die Wahrscheinlichkeit einer Hypothese aus den Wahrscheinlichkeiten einzelner Beobachtungen wie folgt bestimmt:
P(Hi) P(E | Hi)
P(Hi | E) = ---------------------------
Σn P(Hn) P(E | Hn)
wobei P(Hi) die Wahrscheinlichkeit der Hypothese und P(Hi | E) die Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt Beobachtung E ist. Beim Summieren im Nenner des Quotienten wird selbstverständlich auch die Hypothese mit berücksichtigt, dass Hi unwahr ist.
Literatur
Li et al, Brief Bioinform 11, 5:473 (2010) / Klein et al, J Lab Med 30:142 (2006) / Strachan and Read, Human Molecular Genetics, BIOS Sci Publishers (1999)
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