Chronische lymphatische Leukämie (CLL) / Kleinzelliges B-Zell-Lymphom (SLL)

Synonyme: -
Material
Untersuchungsdauer
Methode
Standort
benötigte Unterlagen
Kurzbeschreibung

Die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) und das Kleinzellige B-Zell-Lymphom (SLL) werden gemäß der WHO-Klassifikation 2017 als eine Entität der indolenten B-Zell-Lymphome zusammengefasst. Die Diagnose der CLL basiert auf immunphänotypischen Kriterien und dem Nachweis monoklonaler B-Zellen im Blut. Die Erkrankung weist einen heterogenen Verlauf auf, und die Prognose wird durch genetische Marker wie den IGHV-Mutationsstatus und chromosomale Veränderungen beeinflusst. Neue Therapieoptionen, insbesondere zielgerichtete Therapien, haben die Behandlungsaussichten auch für Patienten mit ungünstigen Prognosefaktoren erheblich verbessert, wenngleich Resistenzentwicklungen gegen diese Therapeutika möglich sind.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Gemäß der WHO Revision der Klassifikation der lymphoiden Neoplasien von 2017 werden die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) und das kleinzellige B-Zell-Lymphom (SLL) zu einer gemeinsamen Entität bei den indolenten B-Zell-Lymphomen zusammengefasst und stellen die häufigste leukämische Erkrankung der westlichen Länder dar. In Deutschland liegt die Neuerkrankungsrate bei ca. 5600/Jahr, wobei das mediane Erkrankungsalter beim Mann bei 72 Jahren, bei der Frau bei 76 Jahren liegt.

Gemäß der Kriterien des International Workshop on CLL (IWCLL) wird die Diagnose einer CLL durch die Erfüllung der folgenden Kriterien definiert:

  • Nachweis einer > 3 Monate anhaltenden Lymphozytose mit ≥ 5×109/L monoklonalen B-Zellen im peripheren Blut
  • durch das Vorherrschen kleiner, morphologisch reif wirkender Lymphozyten im Blutausstrich
  • Immunphänotypisch nachgewiesene klonale Akkumulation/Koexpression von CD5+, CD19+ und CD23+ sowie CD20-/dim, CD79b-/dim zirkulierenden B-Zellen sowie der Nachweis der Monoklonalität mittels CD19/Igκ oder CD19/Igγ, CD10, CD43, CD200 oder ROR1

Bei < 5×109/L monoklonalen B-Zellen muss differentialdiagnostisch zwischen einer monoklonalen B-Lymphozytose (MBL) ohne weitere Krankheitssymptome (u.a. B-Symptomatik, Lymphadenopathie, Hepatomegalie, Splenomegalie) und einer SLL unterschieden werden. Einer CLL geht zumeist eine MBL voraus. Im Falle der SLL steht mit < 5×109/L zirkulierenden monoklonalen B-Zellen im peripheren Blut eine nodale, splenische oder anderweitige extramedulläre Involvierung im Vordergrund. Bei der CLL finden sich kleine Lymphozyten mit aggregiertem Chromatin und wenig Zytoplasma im peripheren Blut und Knochenmark. Typischerweise finden sich neben diesen Zellen noch < 15 % weitere lymphoide Zellen, wie u.a. Prolymphozyten. Ein Prolymphozytenanteil > 55 % weist den Fall der Gruppe der B-Zell prolymphozytischen Leukämie (B-PLL) zu.

Der sehr heterogene klinische Verlauf der CLL variiert von indolent, mit nahezu normaler Lebenserwartung bis hin zu einem aggressiven Fortschreiten der Erkrankung. Die Staging­ Systeme nach Binet und Rai klassifizieren Patienten anhand klinischer Untersuchung und Blutwerte in Gruppen mit niede­rem, intermediärem und hohem Risiko.

Eine Prognoseabschätzung kann anhand des IGHV-Mutationsstatus, chromosomaler Veränderungen (FISH- und Chromosomenanalyse), der Expression von CD38 und ZAP-70 sowie Varianten u.a. in den Genen TP53, ATM, NOTCH1, SF3B1erfolgen.

Einer der wichtigsten prognostischen Marker ist der IGHV-Mutationsstatus. Der Nachweis somatischer Varianten in der IGHV-Region unterteilt die CLL in zwei Entitäten: eine B-CLL gilt als unmutiert, wenn ≥ 98 % Homologie in IGHV zur entsprechenden Keimbahnsequenz auftritt. Während die hypermutierte Form (< 98 %) der B-CLL mit einer günstigen Prognose assoziiert ist, ist die unmutierte Form mit einer ungünstigen Prognose verbunden. Etwa 30 % aller CLL-Fälle weisen (quasi)identische Immunglobulin-Sequenzen auf, was als Immunglobulin-B-Zell-Rezeptor-(IG-BCR)-Stereotypie bezeichnet wird. Anhand ihrer jeweiligen Sequenz-Motive innerhalb der VH CDR3 Region können Patienten in Untergruppen (Subsets) klassifiziert werden, die ähnliche biologische Eigenschaften und einen ähnlichen klinischen Verlauf aufweisen, abweichend vom eigentlichen IGHV-Mutationsstatus. Das Vorhandensein z.B. eines stereotypen VH3-21-Rearrangement (sog. Subset 2) besitzt, unabhängig vom IGHV-Mutationsstatus, eine ungünstige Prognose.

Gerade für die CLL wird der Prozess der leukämischen Transformation zunehmend verstanden. In Studien konnte gezeigt werden, dass die CLL häufig durch einen initialen Verlust oder Zugewinn von Chromosomenmaterial ausgelöst werden kann, gefolgt von sekundären genetischen Varianten, die zu einem aggressiveren Verlauf der Erkrankung führen. Durch Stimulation mit DSP30 und Interleukin 2 können mittlerweile in > 80 % der CLL-Fälle abnormale Karyotypen detektiert werden. Del(13q) (55%), del(11q) (18%), Trisomie 12 (16%), del(17p) (7%) und del(6q) (7%) sind die häufigsten Anomalien bei Zeitpunkt der Diagnose und variieren abhängig vom IGHV-Mutationsstatus (s. Tabelle 1). Da im Verlauf der Erkrankung weitere zytogenetische Veränderungen auftreten können, ist eine regelmäßige Kontrolle anzuraten.

Tabelle: rekurrente zytogenetische Veränderungen bei CLL

Chromosomale
Veränderung
Gen
Prävalenz
Prognose
In Korrelation mit
Deletion 6q-3-6 %intermediär-
Deletion del(11q)ATMbis zu
25 %
ungünstig; oft mit massiver Lymphadenopathie,
rasche Progression, verkürztes Gesamtüberleben
unmutiertem IGHV-Mutationsstatus
Trisomie 12-10-20 %--
weitere Inhalte anzeigen

Neben ATM und TP53 haben Varianten in den Genen NOTCH1,FBXW7SF3B1,BIRC3,POT1MYD88XPO1 sowie weiteren Genen (s. Tabelle 2) einen zunehmenden Einfluss in der prognostischen Beurteilung der CLL. Das Variantenprofil ändert sich mit dem Verlauf der Erkrankung. So konnte z.B. gezeigt werden, dass Varianten in den Genen TP53, NOTCH1,SF3B1 und BIRC3 häufiger zum Zeitpunkt eines Rezidivs auftreten. Patienten mit einer Deletion 17p13 bzw. einer Variante in TP53 zeigten sich resistent gegenüber einer Standard-Chemotherapie mit Purin-Nukleosid-Analogen oder aliphatischen Wirkstoffen. Daher sollten alle Patienten vor Beginn einer Therapie auf mögliche TP53-Veränderungen untersucht werden.

Tabelle: diagnostisch und prognostisch relevante Varianten bei der CLL

Gen
Prävalenz
Prognose
In Korrelation mit
ATM-ungünstig
  • assoziiert mit ≥ 1 prognostisch ungünstigem Faktor (unmutierter IGHV-
    Mutationsstatus, ZAP70+ oder CD38+, erhöhtem Serum β-2-Mikroglobulin)
  • oftmals assoziiert mit del(11q)
BIRC34 % initial
24 % refraktär
ungünstig
  • unmutiertem IGHV-Mutationsstatus
  • meist fortgeschrittener Krankheitsverlauf
  • Deletionen der Region 11q22.3
  • schließt das Vorhandensein einer Variante in BIRC1 oder TP53 nahezu aus
CHD2---
weitere Inhalte anzeigen

Die Therapieoptionen für Patienten mit CLL haben sich durch die Einführung zielgerichteter Therapien, wie Ibrutinib, Idelalisib und Venetoclax und monoklonaler Anti-CD20-Antikörper wie Obinutuzumab, erheblich verändert. Diese Therapeutika führen selbst bei Patienten mit ungünstigen Faktoren, wie der del17p13- oder Varianten in TP53 und einem unmutiertem IGHV-Mutationsstatus, zu Verbesserungen bzgl. des Ansprechens, der progressionsfreien Überlebenszeit und des Gesamtüberlebens. Patienten mit Veränderungen in TP53 profitieren von der Therapie mit dem Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Ibrutinib oder dem PI3K-Delta-Inhibitor Idelalisib in Kombination mit Rituximab. Die Bruton’s Tyrosin Kinase (BTK) ist Teil des BCR-Signalwegs und somit involviert in das Wachstum und Überleben von B-Lymphozyten. Ibrutinib bindet kovalent an Cys481 der BTK und inhibiert irreversibel die nachfolgenden Signalwege. Eine unter Therapie auftretende Ibrutinib-Resistenz ist auf Varianten in der Ibrutinib Bindungsstelle (Cys481Ser) des BTK Gens oder auf Varianten (Arg665Trp, Leu845Phe und Ser707Tyr) im Phospholipase Cy2 Gen (PLCG2), welches im gleichen Signalweg mitwirkt, zurückzuführen. Varianten in PCLG2 induzieren, nach der Aktivierung des BCR, eine BTK-unabhängige Aktivierung der nachfolgenden Signalwege. Venetoclax kann bei der Behandlung von rezidivierter/refraktärer CLL nach vorheriger Behandlung mit BCRi (Ibrutinib oder Idelalisib) wirksam sein. Allerdings können auch hier Resistenzvarianten in BCL2 (Gly101Val und Asp103Tyr) auftreten.

Literatur

letzte Aktualisierung: 2.11.2023