Next Generation Sequencing (NGS) in der Laboratoriumsmedizin

Dr. med. Hanns-Georg Klein

Die Laboratoriumsmedizin beschäftigt sich als klassisches Querschnittsfach mit der Analyse bzw. der Zusammensetzung von Bestandteilen (zellulären Bestandteilen, Proteinen, klinisch-chemischen Kenngrößen, Produkten des Intermediärstoffwechsel etc.) in verschiedenen Körperflüssigkeiten (Blut, Plasma, Serum, Urin, Liquor, flüssiges Punktat etc.) des Menschen. Die Analyse von humanen Nukleinsäuren aus den genannten Kompartimenten hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen und wurde durch technische Errungenschaften wie das Next Generation Sequencing (NGS), aber auch durch die Kombination von digitaler PCR mit durchflußzytometrischen Verfahren (sog. BEAMing-Technologie, Sysmex Ltd. Japan) revolutioniert. Die Bedeutung von NGS in der Laboratoriumsmedizin erschließt sich vor allem durch

  1. die Analyse von somatischen Mutation (molekularen Signaturen) in pathologisch veränderten kernhaltigen Zellen des Blutkreislaufs oder Knochenmarks, z.B. in der Leukämie-Diagnostik,
  2. die Untersuchung von zellfreier DNA, die durch den programmierten Zelltod in den Blutkreislauf abgegeben wurde, z.B. zellfreie Tumor-DNA (ct-DNA),
  3. die Sequenzierung von nukleinsäurehaltigen Vesikeln (Exosomen) oder
  4. die Analyse von micro- und small-interfering RNA (miRNA, siRNA).

Somatische molekulare Signaturen

Der Nachweis von somatischen Mutationen in leukämischen Zellen hat inzwischen seinen festen Platz in der Routineanalytik gefunden. Während die gezielte Diagnostik und das Follow-up (Minimal Residual Disease) nach wie vor häufig mit PCR-basierten Verfahren durchgeführt werden (real-time PCR, digitale PCR), kommt den NGS-Technologien bei dem Nachweis von somatischen Neumutationen (Driver- oder Resistenz-Mutationen) eine entscheidende Rolle zu. Im Gegensatz zur herkömmlichen Sanger-Sequenzierung einzelner Gene (Nachweisgrenze für Mosaike ca. 30%), ermöglicht NGS die rasche und kostengünstige parallele Untersuchung eines Panels von 30 - 50 Leukämie-assoziierten Genen mit einer Nachweisgrenze von < 1% (in Abhängigkeit von der gewählten Abdeckung). Hierdurch können Neumutationen und das Entstehen autonomer Zellklone frühzeitg erkannt und einer individuellen Therapie zugeführt werden.

ct-DNA

Die Analyse von zellfreier Tumor-DNA (ct-DNA) betrifft die Diagnostik und das Follow-up von soliden Tumoren. Für die Zieldiagnostik eignen sich als derzeit sensitivste Verfahren die real-time PCR und die digitale PCR (in Kombination mit Durchflusszytometrie auch BEAMing-Technologie, Sysmex). NGS-Technologien kommen auch hier zum Einsatz, um frühzeitig Neumutationen, vor allem im Zusammenhang mit Therapieresistenzen zu detektieren. So ist z.B. beim malignen Melanom (etwa 18.000 Neuerkrankungen p.a.) bei ca. 50% der Patienten die BRAF p. V600E/E-Mutation nachweisbar. Nur bei Vorliegen dieses Genotyps spricht eine zielgerichtete Therapie mit BRAF-Inhibitoren (z.B. Vemurafenib) an. Durch Tumorheterogenität kommt es jedoch zur Selektion von Subklonen und zur Resistenzentwicklung, wodurch die therapeutische Strategie geändert werden muss (z.B. zusätzliche Gabe eines MEK-Inhibitors, s. auch COMBI-s Studie). Resistenzmutationen sind häufig lange (bis zu 6 Monate) vor einem Progress des Tumors nachweisbar (s. z.B. RAS-Mutationslast bei metastasiertem Darmkrebs, FIRE-4-Studie). Die Vorteile des Plama Profilings von ct-DNA sind

  1. Schnellere Verfügbarkeit der molekulargenetischen Ergebnisse (s. auch Molekularpathologie)
  2. Vermeidung einer Punktion/Intervention
  3. Vermeidung von „Sampling Bias“

Exosomen

Exosomen sind kleine, im Durchmesser etwa 30-100 nm große Vesikel, die sowohl von kernhaltigen Zellen des Blutkreislaufs wie auch von Zellen des Nervensystems oder Tumorzellen ins Blut abgegeben werden. Exo somen entstehen über Endozytose/Endosomen und enthalten Proteine und Nukleinsäuren. Exosomen wurden erst kürzlich als diagnostisch relevantes Kompartiment erkannt, da v.a. Tumore Exosomen in gro- ßem Ausmaß sezernieren. Aufgrund ihrer Interaktion mit dem Immunsystem könnten Exosomen in Zukunft auch für die Tumorvakzinierung eine wichtige Rolle spielen. Derzeit werden exoRNA-basierte Liquid Biop- sies/Profiling-Signatur-Tests für Prostata-Karzinom und Lungenkrebs entwickelt (Exosome Diagnostics, Martinsried). Neben PCR-basierten Verfahren ist auch hier der Einsatz von NGS eine sinnvolle Option.

mi- und siRNA

Sowohl microRNAs (miRNA) wie auch small-interfering RNAs (siRNA) sind am Prozess der RNA-Interferenz beteiligt (Nobelpreis 2006 an Andrew Fire und Craig Mello). Bei miRNA handelt es sich um eine Klasse von kleinen, ca. 22 Nukleotide umfassenden, nicht-codierenden RNA-Spezies, die von der Zelle gebildet werden und an der posttranskriptionellen Genregulation beteiligt sind. miRNA wird auch sezerniert, weshalb miRNA-Profile mittels RT-qPCR oder NGS erstellt werden können. miRNA-Signaturen sind sehr spezifisch für bestimmte Tumorarten und können aufgrund Ihrer regulatorischen Eigenschaften auch therapeutisch eingesetzt werden.

SiRNAs bestehen aus 20-25 Nukleotiden und entstehen ebenfalls intrazellulär, sind allerdings im Gegensatz zu miRNAs nicht genomisch codiert, sondern werden aus freier doppelsträngiger RNA (dsRNA) gebildet. SiRNAs sind spezifischer bei der Zielerkennung und daher als therapeutischer Ansatz (Gene Silencing) von großem Interesse. SiRNA profiling mittels RT-qPCR oder NGS kann ebenfalls diagnostisch eingesetzt werden, z.B. für das Therapie-Monitoring (zelluläre Antwort).

Literatur

Morelli et al. 2015, Annal Oncol 26:731 / Bettegowda 2014, Transl Med / Diehl 2014, Nat Med 14:985 /Song et al. 2014, Nature 509:91 / Arroyo et al. 2011, PNAS 108:5003 / Théry 2009, Nature Rev Immunology 9:581 / Li et al. 2006, Nature Methods 3:95 / Caby et al. 2005, Int Immunol 17:879 / Novina et al. 2004, Nature 430:161 / Denzer et al. 2000, J Cell Sci 113:3365

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