Uniparentale Disomie (UPD)
Dr. med. Imma Rost
Wissenschaftlicher Hintergrund
Uniparentale Disomie bedeutet, dass ein Individuum beide Exemplare (Allele) eines Chromosoms oder Teile davon von nur einem Elternteil geerbt hat. Dabei spricht man von Isodisomie, wenn es sich dabei um das gleiche elterliche Chromosom in duplizierter Form handelt bzw. von Heterodisomie, wenn die beiden verschiedenen Exemplare eines Chromosoms von nur einem Elternteil stammen. Bei den meisten Chromosomen kommt dieser Situation vermutlich keine pathologische Bedeutung zu. Probleme können dann entstehen, wenn auf dem Chromosom, das als Isodisomie von nur einem Elternteil vererbt wird, in einem rezessiven Gen eine Mutation vorliegt, die dann beim Kind durch Verdopplung dieses Chromosoms bzw. Gens homozygot wird und zur Erkrankung führt, oder wenn ein Chromosom oder eine Chromosomenregion betroffen ist, in der Gene liegen, die dem sog. Genomic Imprinting unterliegen, d.h., dass sie, je nach der elterlichen Herkunft, aktiv bzw. inaktiv sind. Dies spielt z.B. beim Prader-Willi- bzw. Angelman-Syndrom eine Rolle. Eine praktische Bedeutung hat die UPD-Diagnostik auch im Rahmen der Pränataldiagnostik, wenn z.B. in der Chorionzottenbiopsie ein Mosaik für eine Trisomie eines der Chromosomen vorliegt, von denen bekannt ist, dass eine UPD pathologische Auswirkungen hat. In diesem Fall muß untersucht werden, ob beim Ungeborenen z.B. durch eine „Trisomie-Korrektur“ eine UPD entstanden ist. Wenn die ursprüngliche Zygote trisom angelegt war, also von einem Elternteil zwei, vom anderen ein Chromosom der gleichen Sorte enthielt, kann bei einer „Trisomie-Korrektur“ auch das einzige Chromosomenexemplar des einen Elternteils verloren gehen, die beiden Chromosomen des anderen Elternteils bleiben übrig, vermeintlich liegt ein Normalzustand vor, der aber pathologische Auswirkungen haben kann.
Auch Robertson’sche Translokationen, an denen z.B. das Chromosom 14 bzw. 15 beteiligt ist, erfordern in der pränatalen Diagnostik den Ausschluß einer UPD, wobei das Risiko wahrscheinlich unter 1% liegt. Abgesehen von den in der Tabelle genannten Chromosomen, bei denen eine UPD krankheitsverursachend sein kann, gibt es auch für die Chromosomen 2, 3, 16 und 20 dementsprechende Hinweise in der Literatur, so dass bei Vorliegen einer Trisomie, auch in Mosaikform, in der Pränataldiagnostik ein UPD-Ausschluss erfolgen sollte.
Chromosom/Region | UPD | Symptomatik/Erkrankung |
6q23-24 | paternal | transienter neonataler Diabetes mellitus |
7p11-13 | maternal | Silver-Russell-Syndrom, primordialer Minderwuchs (auch Chromosom 11) |
11p15.5 | paternal (in Mosaikform) | Beckwith-Wiedemann-Syndrom (EMG-Syndrom) |
14 | paternal | intrauterine Wachstumsverzögerung, Fehlbildungen, schwere Entwicklungsverzögerung |
14 | maternal | prä- und postnatale Wachstumsverzögerung, leichte Entwicklungsverzögerung, Dysmorphiezeichen |
15q11-13 | maternal | Prader-Willi-Syndrom |
15q11-13 | paternal | Angelman-Syndrom |
Literatur
Eggermann T et al. 2015, Trends Mol Med 21(2):77 / Kotzot 2008, J Med Genet 45:545 / Kotzot 2008, Ultrasound Obstet Gynecol 31:100 / Engel 2006, Eur J Hum Genet 14:1158 / Kotzot 2002, Am J Med Genet 111:366 / Buiting et al. 2001, Medizinische Genetik 13:124
Untersuchungsauftrag A1
Humangenetik / Transfusionsmedizin / Pathologie
(8 Seiten, DIN A4)
V.a. und DD Uniparentale Disomie
UPD-Diagnostik bei .... (bitte Erkrankung bzw. betroffenes Chromosom mitteilen)
Hinweis:
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich
Pränatal: Fruchtwasser oder CVS-Langzeitkultur oder Plazentazotten oder heparinisiertes Nabelschnurblut + 2-5 ml EDTA-Blut der Eltern
Postnatal: 2-5 ml EDTA-Blut des Patientenund beider Eltern
Eilig (pränatal): 1 Woche
Regulär (postnatal): 2-3 Wochen