Chemotherapie-Toxizität (Überblick)

Dipl.-Biol. Birgit Busse

Wissenschaftlicher Hintergrund

Viele in der Onkologie eingesetzte Chemotherapeutika können gravierende, potentiell lebensbedrohliche Nebenwirkungen hervorrufen. Genetisch bedingte Enzymdefizienzen können einen verzögerten Wirkstoffabbau zur Folge haben, der zu einer Akkumulation des Arzneimittels im Körper und letztlich zu Intoxikationen führen kann. Eine pharmakogenetische Untersuchung vor Beginn oder während einer Chemotherapie bietet die Möglichkeit einer individuellen Dosisanpassung unter Vermeidung von Toxizitätsrisiken.

CYP2C8: das Enzym CYP2C8 ist am Metabolismus von Paclitaxel beteiligt. Das CYP2C8*3-Allel ist mit einer erniedrigten Enzymaktivität assoziiert. Bei Trägern dieses Allels können durch den herabgesetzten Metabolismus des Medikaments Toxizitäten auftreten.

CYP2D6: das Enzym CYP2D6 ist an der Prodrug-Aktivierung von Tamoxifen beteiligt. Verschiedene Varianten im CYP2D6-Gen führen zu einem Verlust oder einer Einschränkung der Enzymaktivität. Dadurch erfolgt die Umwandlug von Tamoxifen in den wirskameren Metaboliten verlangsamt. Niedrigere Endoxifenspiegel werden in verschiedenen Studien mit einer schlechterem Therapie-Wirksamkeit assoziiert.

DPD: das Enzym Dihydropyrimidin-Dehydrogenase ist maßgeblich am Abbau von 5-Fluorouracil (5-FU) und dessen Prodrugs beteiligt. Verschiedene Varianten im DPD-Gen führen zur Bildung eines Enzyms mit erniedrigter oder fehlender Aktivität, wodurch der Metabolismus von DPD-Substraten eingeschränkt ist. Patienten mit pathogenen Varianten im DPD-Gen tragen ein erhöhtes Risiko, schwere Toxizitäten unter 5-FU-Therapie zu entwickeln.

TPMT: das Enzym Thiopurinmethyltransferase (TPMT) metabolisiert Thiopurine (z.B. Azathioprin, Mercaptothiopurin (6-MP), Thioguanin (6-TG)) und ist ein entscheidender Faktor zur Inaktivierung zytotoxischer Verbindungen. Varianten im TPMT-Gen sind mit TPMT-Defizienz assoziiert, wodurch es zur Myelosuppression mit tödlichem Ausgang kommen kann. Die FDA hat den Zusammenhang zwischen Enzymaktivität, Genotyp und Dosierung in die Warnhinweise der Arzneimittelinformation aufgenommen.

UGT1A1: das Enzym UDP-Glucuronyltransferase (UGT1A1) ist entscheidend am Abbau von Irinotecan (Topoisomerase I-Inhibitor) beteiligt. Eine Dinukleotid-Expansion im Promoterbereich des UGT1A1-Gens führt zu einer Enzymdefizienz, die zur Akkumulation des toxischen Moleküls SN38 im Organismus und dadurch zu schweren Nebenwirkungen führt. Die FDA hat den Zusammenhang zwischen Enzymaktivität, Genotyp und Dosierung in die Warnhinweise der Arzneimittelinformation aufgenommen.