Polyposis-Syndrome, hereditär
Dr. rer. nat. Anne Holtorf, M.Sc. Sarah Heinrich
Wissenschaftlicher Hintergrund
Bei den hereditären gastrointestinalen Polyposis-Syndromen handelt es sich um seltene erbliche Syndrome, die mit einem erhöhten Risiko für Darmtumoren einhergehen und für etwa 1% aller Darmkrebserkrankungen ursächlich sind. Sie sind charakterisiert durch das Auftreten multipler Polypen im Gastrointestinaltrakt und können weitere intestinale und extraintestinale Manifestationen hervorrufen.
Adenomatöse Polypen treten in erster Linie bei der familiären adenomatösen Polyposis (FAP) und der MUTYH-assoziierten Polyposis (MAP) auf. Ursächlich für die Erkrankung sind pathogene Keimbahnvarianten im APC- bzw. MUTYH-Gen. Eine molekulargenetische Unterscheidung beider Erkrankungen ist aufgrund der unterschiedlichen Erbgänge für die korrekte Risikoeinschätzung von Bedeutung. In einigen wenigen Patienten mit (adenomatösen) Polypen und unauffälligem APC- und MUTYH-Befund können pathogene Varianten in den Genen POLE, POLD1 (Polymerase Proofreading-assoziierte Polyposis, PPAP) oder NTHL1 (NTHL1-assoziiertes Tumor Syndrom) nachgewiesen werden.
Zu den hamartomatösen Polyposis Syndromen (HPS), die teilweise schwer von den adenomatösen Syndromen abzugrenzen sind, zählen das Juvenile Polyposis Syndrom (JPS), das Peutz-Jeghers Syndrom (PJS) sowie das Cowden-Syndrom (PTEN-Hamartom Tumor Syndrom, PHTS). Alle drei Poylposis-Syndrome sind sehr selten und folgen einem autosomal-dominanten Erbgang. Weitere Syndrome, bei denen sich ebenfalls (selten) hamartomatöse Polypen manifestieren können, sind das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom (FLCN-Gen), MEN2-Syndrom (RET-Gen) und die Neurofibromatose Typ 1 (NF1-Gen).
Serratierte Polypen des Dickdarms sind charakteristisch für das hyperplastische Polyposis-Syndrom (HPS), dessen genetische Ursache allerdings bislang nicht ausreichend geklärt ist. Aktuell wird eine Korrelation der Erkrankung mit dem Nachweis von Keimbahnvarianten im RNF43-Gen diskutiert. Ein weiteres Polyposis-Syndrom, das mit multiplen Kolonpolypen verschiedener Entitäten einhergeht, ist die hereditäre gemischte Polyposis (HMPS). Selten vorkommende Duplikationen der regulatorischen Region des GREM1-Gens scheinen mit diesem Polyposis-Syndrom zu korrelieren.
Tab.: Überblick über die einzelnen hereditären Polyposis-Syndrome
Hinweis zur prädiktiven Diagnostik:
Bei der prädiktiven Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Laut Gendiagnostikgesetz (GenDG) soll bei jeder diagnostischen genetischen Untersuchung eine genetische Beratung angeboten werden. Bei prädiktiver genetischer Diagnostik muss laut GenDG vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats genetisch beraten werden (§10, Abs. 2 GenDG).
Literatur
Valle et al. 2019, Mol Aspects Med 69:10 / Lorans et al. 2018, Clin Colorectal Cancer 17:e293 / Jelsing et al. 2014, Orphanet J Rare Dis 9:101 / Shussman and Wexner 2014, Gastroenterol Rep 2:1 / Huber et al. 2013, J Gastroint Dig System 3:155 / Aretz et al. 2010, Dtsch Arztebl Int 107:163
Untersuchungsauftrag A1
Humangenetik / Transfusionsmedizin / Pathologie
(8 Seiten, DIN A4)
V.a. hereditäres Polyposis-Syndrom
Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben:
- Diagnose: Adenomatöse, hamartomatöse, serratierte oder gemischte Polyposis
ICD-10 Code ([D12.6], [C18.-]) - Auftrag:
- Adenomatöse Polyposis coli: Molekulargenetische AnalyseAPC, MUTYH, NTHL1, POLD1, POLE
oder - Hamartomatöse/serratierte/gemischte Polyposis coli: Molekulargenetische Analyse BMPR1A, PTEN, RNF43, SMAD4, STK11, GREM1
- Adenomatöse Polyposis coli: Molekulargenetische AnalyseAPC, MUTYH, NTHL1, POLD1, POLE
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich
2 ml EDTA-Blut
3-4 Wochen