CDC73-assoziierte Syndrome

OMIM-Nummer: 607393 (CDC73)

  • Familiärer isolierter primärer Hyperparathyreoidismus (FIPH): 14500
  • Hyperparathyreoidismus-Kiefertumor Syndrom (HPT-JT): 145001
  • Nebenschilddrüsenkarzinom: 608266

M.Sc. Sarah Heinrich, Dr. rer. nat. Anne Holtorf

Wissenschaftlicher Hintergrund

Pathogene Varianten in CDC73 prädisponieren für eine Reihe von Syndromen, die mit einem erhöhten Risiko für primären Hyperparathyreoidismus, Nebenschilddrüsenadenome bzw. -karzinome einhergehen:

Beim familiären isolierten primären Hyperparathyreoidismus (FIHP) weisen Patienten bzw. Familien keine weiteren syndromalen Manifestationen auf. Bei Anlageträgern einer CDC73-Variante kann es mitunter aber zu einem jüngeren Manifestationsalter und/oder einem klinisch schwerwiegenderen Phänotyp, verglichen zu Familien ohne CDC73-Variante kommen.

Etwa 95% aller Patienten mit Hyperparathyreoidismus-Kiefertumor Syndrom (HPT-JT) weisen einen primären Hyperparathyreoidismus auf, der in der Regel durch ein Nebenschilddrüsenadenom ausgelöst wird, aber auch auf Nebenschilddrüsenkarzinome zurückzuführen ist (in etwa 10-15% der Fälle). Zusätzlich sind bei 30-40% der Betroffenen (in der Regel nicht maligne) Fibrome des Ober- oder Unterkiefers zu beobachten. Seltener werden auch Nierenzysten, Nierenhamartome, Wilms-Tumoren oder uterine benigne und maligne Tumoren diagnostiziert.

Bei 20-29% der Patienten mit sporadischem Nebenschilddrüsenkarzinom werden pathogene CDC73-Varianten nachgewiesen. Diese sind in der Regel funktionell und äußern sich in einem primären Hyperparathyreoidismus.

Diagnostische Kriterien wurden noch nicht erstellt. Außerdem weisen genetische Veränderungen in CDC73 eine z.T. sehr variable Penetranz und Expressivität auf. Trifft jedoch einer der folgenden Punkte auf einen Patienten zu, kann eine genetische Abklärung indiziert sein:

  • pHPT und Fibrome des Ober-/Unterkiefers;
  • pHPT <45. Lebensjahr und cystische, atypische und/oder maligne Nebenschilddrüsenhistologie, oder keine nukleäre Expression von Parafibromin in der immunhistochemischen Untersuchung;
  • pHPT im Kindes-/Jugendalter;
  • Fibrome des Ober-/Unterkiefers im Kindesalter (die Frequenz pathogener CDC73-Varianten bei sporadischen Fibromen des Kiefers scheint jedoch gering zu sein);
  • pHPT oder Fibrome des Kiefers und weiterer HPT-JT assoziierter Manifestationen (z.B. Wilms-Tumor) in der Eigen- oder Familienanamnese;
  • familiärer pHPT und unauffälliger MEN1-Befund.

Differentialdiagnostisch kann - in Abhängigkeit von der Eigen- und Familienanamnese - auch eine Abklärung bzgl. des MEN1-, MEN2-, MEN4-Syndroms, einer familiären hypokalziurischen Hyperkalzämie (FHH, OMIM 145980, 600740, 615361) oder eines GCM2-assoziierten familiären primären Hyperparathyreoidismus (OMIM 146200) sinnvoll sein.

Das CDC73-Gen (auch als HRPT2 bezeichnet) codiert das Protein Parafibromin, welches eine Rolle bei der transkritptionellen Genregulation spielt und Zellen an einer übermäßigen Proliferation hindert. Außerhalb des Nukleus ist Parafibromin vermutlich an der Organisation des Zytoskelletts beteiligt. Pathogene Varianten in CDC73 führen nicht unmittelbar zur Tumorentstehung, erst nach Ausfall des zweiten, intakten Allels durch spontane somatische Mutationen kann es zur Zellproliferation und Entartung der betroffenen Zelle kommen.

Aufgrund der Seltenheit pathogener CDC73-Varianten und der variablen Expressivität existieren derzeit keine Vorsorgeempfehlungen für Anlageträger oder Risikopersonen. Es wurden aber verschiedene Strategien vorgeschlagen, u.a. die jährliche Überwachung des Calcium-Serumlevels ab dem 6. Lebensjahr, periodische Ultraschalluntersuchungen der Nebenschilddrüsen zum Ausschluss nicht-funktioneller Nebenschilddrüsenadenome/-karzinome, Vorsorgeuntersuchung mit Hinblick auf Nierenzysten und bei weiblichen Anlageträgern gynäkologische Untersuchungen bezüglich Gebärmuttertumoren.

Hinweis zur prädiktiven Diagnostik:

Bei der prädiktiven Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Laut Gendiagnostikgesetz (GenDG) soll bei jeder diagnostischen genetischen Untersuchung eine genetische Beratung angeboten werden. Bei prädiktiver genetischer Diagnostik muss laut GenDG vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats genetisch beraten werden (§10, Abs. 2 GenDG).

Literatur

Hyde et al. CDC73-Related Disorders. 2018. GeneReviews®: www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK3789/
/ van der Tuin et al. 2017, J Clin Endocrinol Metab 102:4534 / Chen et al. 2016, Diagn Pathol 22:11

V.a. Hyperparathyreoidismus-Kiefertumor-Syndrom, V.a. familiärer isolierter Hyperparathyreoidismus

Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben:

  • Diagnose/Verdachtsdiagnose: Primärer Hyperparathyreoidimus, V.a. fam. isolierter Hyperparathyreoidismus, V.a. HPT-JT Syndrom (ICD-10 Code: [Z80.-], [E21.-], [D35.-], [C75.-])
  • Auftrag: Molekulargenetische Analyse CDC73-Gen
     

Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich

2 ml EDTA-Blut

ca. 10-15 Werktage / 2-3 Wochen