Dysbetalipoproteinämie (Typ III-Hyperlipidämie)
Dr. rer. biol. hum. Katrin Goldmann, Dr. rer. nat. Christoph Marschall
Wissenschaftlicher Hintergrund
Die familiäre Dysbetalipoproteinämie (Typ III-Hyperlipidämie nach Fredrickson, autosomal-rezessiv, Häufigkeit ca. 1:2.000) geht auf eine Störung des Metabolismus von Chylomikronen und VLDL-Remnants zurück, deren Aufnahme in die Leber durch Apolipoprotein E (Apo E) vermittelt wird. Remnants sind Abbauprodukte des plasmatischen Lipoprotein-Stoffwechsels und gehören zu den atherogensten Lipidpartikeln. Die betroffenen Patienten haben daher ein sehr hohes Gefäßrisiko (arterielle Verschlusskrankheit, KHK, Schlaganfall). Häufig finden sich kutane oder tuberöse Xanthome, pathognomisch sind Handlinien-Xanthome. Biochemisch findet man eine erhöhte Serumkonzentration von beta-VLDL bei gleichzeitiger Erhöhung von Triglyceriden und Gesamtcholesterin. Die Therapie der Wahl ist die Diät. Neuere Studien haben allerdings gezeigt, dass auch der Einsatz von HMG-CoA-Reduktase-Hemmern (z.B. Statine) gute Ergebnisse bringt.
Die molekularen Mechanismen der Typ III-Hyperlipidämie sind noch nicht eindeutig geklärt. Voraussetzung scheint Homozygotie für das E2-Allel von Apolipoprotein E zu sein. Zwei Polymorphismen im APOE-Gen führen zu den Aminosäureaustauschen Cys112Arg (rs429358) und Arg158Cys (rs7412), wodurch die drei Isoformen ApoE2, ApoE3 und ApoE4 entstehen (Allelfrequenz: E2: 4% bis 13%, E3: 62% bis 86% und E4: 7% bis 29%). ApoE2 weist verminderte LDL-Rezeptorbindungseigenschaften auf, wodurch es zu einer Anreicherung von Remnants und infolge dessen zu einem Anstieg des Gesamtcholesterins sowie der Triglyceride kommt. Jedoch entwickeln nur etwa 4% der Individuen, die homozygot für APOE2 sind, eine Typ III-Hyperlipidämie (niedrige Penetranz). Hierzu sind sekundäre Faktoren wie Hypothyreose, Östrogenmangel, Adipositas, Alkoholkonsum, Diabetes mellitus Typ 2, Schwangerschaft oder die Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Olanzapin) notwendig. Ca. 10% der Patienten mit einer Typ III-Hyperlipidämie tragen andere ursächliche Varianten im APOE-Gen. Einige dieser seltenen, ursächlichen APOE-Varianten wie z.B. p.(Arg145Cys) folgen einem dominanten Erbgang mit vollständiger Penetranz. Charakteristisch für diese dominant verebten Varianten ist z.B. eine abwesende oder verminderte Modulation der Rezeptorbindung (z.B. des LDL-Rezeptors) durch LPL-induzierte Änderung der Zusammensetzung der triglyzerid-reichen Lipoproteine. Deswegen könnte auch eine Komplettsequenzierung des APOE-Gens in Betracht gezogen werden.
Literatur
Shah A. S. et Wilson D. P. 2022, Endotext [Internet] / Kim et al. 2017, PLoS one 12:e0186693 / Blum C. B. 2016, Prog Cardiovasc Dis. 59:119 / Koopal et al. 2015, Int J Obes 39:265 / Marais et al. 2014, Crit Rev Clin Lab Sci. 51:46 / El-Lebedy et al. 2013, Cardiovasc Diabetol 15:12 / Tanguturi et al. 2013, Biochem Genet 51:398 / Fung et al. 2011, BMJ Case Rep 9 / Mahley et Rall Jr in Scriver et al. 2001: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 8th Ed, Chapter 119
Untersuchungsauftrag C4
Stoffwechselerkrankungen / Endokrinologie
(3 Seiten, DIN A4)
V.a. und DD Typ III-Hyperlipidämie (gleichzeitige Erhöhung von Triglyceriden, Gesamtcholesterin und VLDL-Cholesterin), Abschätzung des Gefäßrisikos, Optimierung der therapeutischen Strategie
Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben
- Diagnose: Typ III-Hyperlipidämie
(ICD10-Code: [E78.2]) - Auftrag:
APOE-2/3/4 Genotypisierung
oder
Molekulargenetische Analyse APOE‑Gen
Hinweis:
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich
1 ml EDTA-Blut
APOE-2/3/4 Genotypisierung: 5 Tage
NGS (inkl. CNV): 3-6 Wochen