Renale tubuläre Dysgenesie

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Kurzbeschreibung

Die renale tubuläre Dysgenesie (RTD) ist eine schwere fetale Krankheit, die durch unvollständige Differenzierung der proximalen Tubuli und andere Symptome wie Anurie und Schädelverknöcherungsstörungen charakterisiert ist. Sie kann entweder erworben oder autosomal-rezessiv vererbt sein, wobei die hereditäre Form mit Genen des Renin-Angiotensin-Systems assoziiert ist. Ursächliche genetische Varianten beeinflussen die Produktion oder Wirksamkeit von Angiotensin II, einem Schlüsselregulator des Renin-Angiotensin-Systems. Die meisten Patienten mit RTD sterben in utero oder kurz nach der Geburt; die Diagnose und genetische Bestätigung sind für die genetische Beratung und potenzielle pränatale Diagnostik entscheidend.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die renale tubuläre Dysgenesie (RTD) ist eine schwere fetale Erkrankung, die durch das Fehlen oder die unvollständige Differenzierung der proximalen Tubuli, frühzeitige und persistierende Anurie und Verknöcherungsstörungen des Schädels gekennzeichnet ist. Oligohydramnie, bedingt durch die verminderte Produktion von Fetalurin, kann ab der 20. Schwangerschaftswoche, manchmal früher, beobachtet werden und besteht während der gesamten Schwangerschaftszeit fort. Das Fehlen von Fruchtwasser führt zu einer fetalen Kompression und verminderter intrauteriner Beweglichkeit, was zur sog. Potter-Sequenz führt, die Gesichtsanomalien, überschüssige Haut, Kontrakturen und Lungenhypoplasie beinhaltet. Dem frühen Auftreten einer fetalen Anurie steht das Fehlen von größeren Anomalien der Nieren oder Harnwege bei der Ultraschalluntersuchung gegenüber. Die Nieren sind normal oder leicht vergrößert, mit oder ohne diskreter Hyperechogenität oder Verlust der kortikomedullären Differenzierung. Die Krankheit ist immer schwerwiegend. Die meisten Patienten versterben in utero oder kurz nach der Geburt an Atemnot, anhaltender Anurie und refraktärer arterieller Hypotonie. Einzelne Patienten überlebten unter intensiver Neonatalversorgung, die eine Peritonealdialyse und mechanische Beatmung erforderte. Die seltenen Überlebenden zeigten von Geburt an ein chronisches Nierenleiden oder terminales Nierenversagen.

Die RTD kann während der fetalen Entwicklung erworben oder autosomal-rezessiv vererbt sein. Die sekundäre RTD infolge anderer Begleiterkrankungen wurde u.a. beim Donor beim fetalen Transfusionssyndrom, bei Feten mit kongenitaler Hämochromatose oder bei mütterlicher Therapie mit Renin-Angiotension-System (RAS)-Blockern während der Schwangerschaft sowie bei angeborenen Herzerkrankungen oder bei Nierenarterienstenose beschrieben. Die hereditäre Form ist genetisch heterogen und mit pathogenen Varianten in Genen assoziiert, die für die Hauptkomponenten des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) kodieren: AGT(Angiotensinogen), REN(Renin), ACE(Angiotensin-converting-Enzym) oder AGTR1(Angiotensin-II-Rezeptor Typ 1/AT1). Im Gegensatz zu sekundären Formen wurde keine Verringerung des intrauterinen Wachstums im Zusammenhang mit der genetischen Form der RTD beobachtet. In allen Fällen kommt es zu einer Nierenhypoperfusion.

Das Renin-Angiotension-System kontrolliert das extrazelluläre Volumen und hält den peripheren Widerstand, den Blutdruck, den Blutfluss und die Funktion der Niere aufrecht. Es besteht aus Angiotensinogen, das von der Leber synthetisiert und im Kreislauf durch Renin, eine in der Niere produzierte Aspartylprotease, gespalten wird. Das resultierende Peptid Angiotensin I wird durch das Ektoenzym ACE in Angiotensin II (ANG II) umgewandelt, das Endprodukt der Aktivierung der RAS-Kaskade. ANG II, ein aktives Octapeptid, bindet an zwei verschiedene Rezeptoren – AT1 und AT2. AT1 vermittelt die vasopressive Wirkung von ANG II, während AT2 die gegenteilige Wirkung hat. ANG II übt eine negative Rückkopplungskontrolle auf die Reninproduktion aus. So führt das Fehlen oder die Unwirksamkeit von ANG II zu einer Überproduktion von Renin.

Ursächliche Varianten führen entweder zu einer fehlenden Produktion (AGT-, REN-, ACE-Veränderungen) oder zu einer mangelnden Wirksamkeit (AGTR1-Veränderungen) von ANG II. ACE-Varianten sind in 65,5% der Fälle ursächlich, REN-Varianten in 20%, AGT-Varianten in 8,5% und AGTR1-Varianten in 6%.

Die Diagnose der autosomal rezessiven RTD basiert zunächst auf Anamnese, klinischer und pathologischer Untersuchung und dem Ausschluss sekundärer Formen der Krankheit. Eine abnorme renale Reninexpression kann auf die zugrunde liegende genetische Ursache hinweisen. Die molekulargenetische Bestätigung der autosomal rezessiv vererbten RTD ist wichtig, um eine genetische Beratung mit Angabe des Wiederholungsrisikos und ggf. eine Pränataldiagnostik zu ermöglichen.

Renale tubuläre Dysgenesie
4 Gene
ACE
AGT
AGTR1
REN


zum Auftrag
Erkrankung
ICD—10
Gen
OMIM—G
Renale tubuläre DysgenesieQ63.8AGT106150
Renale tubuläre DysgenesieQ63.8AGTR1106165
Renale tubuläre DysgenesieQ63.8ACE106180
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Literatur

letzte Aktualisierung: 27.10.2023