Amyloidose, familiäre Form
Dr. rer. nat. Laura Frey, Dipl.-Biol. Birgit Busse, Prof. Dr. Reinhold P. Linke
Wissenschaftlicher Hintergrund
Unter den Amyloidosen versteht man eine heterogene Gruppe von Krankheiten, bei denen im Extrazellularraum fehlgefaltete Proteine in Fibrillenform, genannt Amyloid, abgelagert werden, die durch stete Anhäufung zum Funktionsverlust von Organen und zum frühzeitigen Tode führen. Die generalisierten Amyloidosen sind praktisch immer fatal. Das als Amyloid abgelagerte jeweilige Protein bestimmt die Amyloidklasse, von denen es heute über 25 gibt. Auch innerhalb einer Klasse gibt es verschiedene Syndrome, welche die Klinik der Amyloidosen sehr komplex erscheinen lässt. Es gibt lokale, organlimitierte und generalisierte Amyloidosen, deren unterschiedliche Pathogenese eine individuelle Therapie erfordert. Eine präzise Diagnostik ist daher die Vorraussetzung für eine spezifische Therapie.
Neben den erworbenen Formen der Amyloidose (z.B. in Folge eines Malignoms oder einer chronisch-entzündlichen Erkrankung) sind erbliche Formen beschrieben, die meist einem autosomal-dominanten Erbgang folgen. Die häufigsten Amyloidosen betreffen die Alzheimer Erkrankung und den Typ II-Diabetes. Unter den generalisierten Formen sind die Amyloidosen bei monoklonalen Gammopathien (AL?, AL?, AH?) und die Amyloidosen vom Transthyretin-Typ-(ATTR) die häufigsten. Bei den Letzteren gibt es zwei Gruppen, einmal die sporadische Altersamyloidose vom ATTR-Typ mit vor allem kardialen Symptomen und zum anderen die hereditäre ATTR-Amyloidose, die nicht nur in jüngeren Jahren auftritt, sondern auch unter dem Bild der familiären Polyneuropathie mit progredienter, aufsteigender Polyneuropathie, Kardiomyopathie, Herzrhythmusstörung, Diarrhöe und Malabsorption einhergeht. Bei den AA-Amyloidosen, die durch chronische Entzündungen verursacht sind, findet sich Amyloid hauptsächlich in den parenchymatösen Organen wie Milz, Niere, Leber und Darm.
Die Diagnostik der Amyloidose erfolgt in drei Schritten:
- Nachweis von Amyloid in einer Gewebeprobe mit Hilfe der Kongorotfärbung. Gewebe wird durch Exzision, meist aber durch Biopsien aus Organen (Herz, Niere, Intestinum, Rektum, Haut, Leber u. a.) oder durch Aspiration von subkutanem Fettgewebe gewonnen. Ist Amyloid histologisch über die grüne Doppelbrechung im polarisierten Licht nachgewiesen, erfolgt der zweite Schritt.
- Immunhistochemische Klassifizierung der Amyloidosen mit Hilfe speziell hergestellter Antikörper. Diese sind derzeit noch nicht kommerziell verfügbar, die Analytik kann jedoch als Serviceleistung in Anspruch genommen werden (www.amymed.de).
- Auf den Hinweis oder den Nachweis einer hereditären Amyloidose (s. Tabelle) erfolgt die molekulargenetische Analytik des identifizierten Proteins.
Die häufigste erbliche Form der Amyloidosen ist die Transthyretin-Amyloidose (ATTR). Sie wird durch pathogene Varianten im TTR-Gen verursacht und folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Die häufigste ursächliche Variante ist p.(Val50Met) (portugiesisch japanische Form). Das TTR-Gen codiert für das Serumprotein Transthyretin (Präalbumin). Bis heute sind über 80 krankheitsverursachende Varianten in diesem Gen bekannt, die zu einer Amyloidose führen. Da die Leber der Hauptsyntheseort des Transthyretins ist, war bislang eine Lebertransplantation die einzig effektive Therapie der ATTR-Amyloidose. Mit Tafamidis steht seit Ende 2011 ein Wirkstoff zur Verfügung, der die Tetramerkonfiguration von TTR stabilisiert. In Folge dessen wird die Amyloidbildung reduziert. Tafamidis ist für die Behandlung von Patienten mit TTR-bedingter Polyneuropathie im Stadium 1 (gehfähig ohne regelmäßigen Gebrauch von Gehhilfen) in Deutschland zugelassen.
Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die hereditären Amyloidosen, die sich nicht nur in der Organmanifestation unterscheiden, sondern auch über die verschiedenen Mutationen, über die jede der heriditären Amyloidosen sehr präzise diagnostiziert werden kann. Der molekulargenetische Nachweis der jeweiligen Mutationen ist daher wichtig für die Prognose und die individuelle Therapie.
Literatur
Ando et al. 2013 Orphanet J Rare Dis. 20;8:31 / Sekijima Y. Hereditary Transthyretin Amyloidosis. 2001 Nov 5 [Updated 2018 Dec 20]. In: Adam MP, Ardinger HH, Pagon RA, et al., editors. GeneReviews® [Internet]. Seattle (WA): University of Washington, Seattle; 1993-2019. / Coelho et al. 2016, Neurol Ther. 5: 1-25 / Hund 2014, Nervenarzt 85:1291-1297
Untersuchungsauftrag A1
Humangenetik / Transfusionsmedizin / Pathologie
(8 Seiten, DIN A4)
V.a. und DD hereditäre Amyloidose bei entsprechendem Phänotyp
Hinweis
Eine molekulargenetische Diagnostik ist nur sinnvoll, wenn eine Amyloidose familiär auftritt, durch das Auffinden eines Amyloid-Typs (bei fehlendem Stammbaum) Erblichkeit möglich, sehr wahrscheinlich oder bewiesen ist und wenn ein Familienmitglied eine Amyloidose hat oder hatte. Sollte die Amyloidklasse, d.h. das amyloidogene Protein, nicht bekannt sein, sollte es vorher diagnostiziert werden, um das entsprechende Gen direkt analysieren zu können.
Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben
- Diagnose: Amyloidose (ICD-10 Code: [E85.1], [E85.2])
- Auftrag: Mutationssuche im TTR-Gen
Hinweis:
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich
1 ml EDTA-Blut
Einsendung von Gewebeproben für die Amyloid-Analytik (Fremduntersuchung)
Für den Nachweis von Amyloid und dessen Klassifizierung (Amyloid-Typing) können 20 Paraffin-Leerschnitte entweder von fixierten Organbiopsien oder von Paraffinblöcken mit fixiertem Gewebe, Organbiopsien in Formalin oder Fettgewebsaspirate entweder aufgepresst auf Objektträgern oder in Formalin (4% gepuffertes Formaldehyd) eingesandt werden. Bitte ausführlichen Arztbrief beilegen (www.amymed.de).
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