Beta-Thalassämie

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Kurzbeschreibung

Die Beta-Thalassämie ist eine genetisch bedingte Synthesestörung der Beta-Globinkette des Hämoglobinmoleküls. Die Erkrankung wird durch eine verminderte Produktion von Beta-Globin-Ketten verursacht, was zu einem Überschuss an Alpha-Globin-Ketten führt. Die Beta-Thalassämie ist durch eine variabel ausgeprägte mikrozytäre, hypochrome Anämie mit einer Erhöhung des HbA2-Wertes gekennzeichnet.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die Beta-Thalassämie ist eine autosomal-rezessiv vererbte hämatologische Erkrankung, die auf einer quantitativen Synthesestörung der β-Globin-Ketten des Hämoglobins beruht. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 3% der Weltbevölkerung Anlageträger für eine Beta-Thalassämie sind, jedoch ist die Häufigkeit in den verschiedenen ethnischen Gruppen sehr unterschiedlich. Eine besonders hohe Prävalenz findet sich in den Mittelmeerländern, in Teilen Asiens, im Nahen Osten und in Westafrika (siehe Karte zur Prävalenz der Beta-Thalassämie).

Abb.: Landkarte mit Kennzeichnung von Gebieten mit einer hohen Prävalenz an β-Thalassämien

Das menschliche Hämoglobin besteht aus verschiedenen Hämoglobin-Typen, die jeweils aus 4 Globinketten zusammengesetzt sind (jeweils zwei gleiche Ketten bilden ein Tetramer). Das beim Erwachsenen mit ca. 97% überwiegend vorliegende Hämoglobin A (HbA) besteht aus 2 α- und 2 β-Globin-Ketten. Bei der Beta-Thalassämie ist die Synthese der β-Ketten vermindert bzw. vollständig ausgefallen, wodurch ein Überschuss an freien α-Ketten entsteht, die eine hohe Instabilität aufweisen. Durch deren Präzipitation kommt es bereits im Knochenmark zur vorzeitigen Hämolyse der Erythrozyten bzw. ihrer Vorstufen.

Die homozygote Form der Beta-Thalassämie wird auch als Thalassaemia major bezeichnet, die heterozygote als Thalassaemia minor. Die Minor-Form zeigt meist nur eine leichte, hypochrome mikrozytäre Anämie, wesentliche klinische Symptome werden in der Regel nicht beobachtet. Bei der Intermediärform der Beta-Thalassämie (Thalassaemia intermedia) liegt der Schweregrad zwischen der Thalassaemia minor und major.

Tab.: Die verschiedenen Formen der Beta-Thalassämie

β-Thalassämie
Phänotyp
Hämatologie
Hb-Differenzierung
Minormeist unauffällighypochrome, mikrozytäre AnämieHbA2 ⬆,
HbF variabel
Intermediasehr variabelhypochrome, mikrozytäre AnämieHbA2 ⬆,
HbF ⬆
Major
(Cooley Anämie)
transfusionsbedürftige Anämieschwere hämolytische AnämieHbA2 ⬆,
HbF variabel

Symptome der Thalassaemia major, die auch als Cooley-Anämie bezeichnet wird, treten meist bereits in den ersten Lebensmonaten auf, sobald das fetale Hämoglobin (HbF) durch das adulte Hämoglobin (HbA) ersetzt wird. Klinisch fallen die Kinder durch eine Gedeihstörung, Hepatosplenomegalie und Ikterus auf, es besteht eine schwere mikrozytäre hypochrome Anämie mit auffälliger Erythrozytenmorphologie. Bei unbehandelten Patienten führt die gesteigerte, aber ineffektive Erythropoese durch Verbreiterung der Markräume zu charakteristischen Skelettveränderungen v.a. im Bereich der Schädelknochen. Die symptomatische Therapie der Major-Form erfolgt durch regelmäßige Bluttransfusion. Zur Vermeidung einer Eisenüberladung mit der Gefahr der Hämosiderose ist dabei  zusätzlich eine Therapie mit Eisenresorptionsinhibitoren indiziert.  Seit August 2020 besteht nun die Möglichkeit einer Behandlung transfusionsbedürftiger Erwachsener mit dem Wirkstoff Luspatercept. Die einzige kausale Behandlungsmöglichkeit ist weiterhin die Knochenmarktransplantation.

Variante Formen treten im Zusammenhang mit kombinierter Heterozygotie mit anomalen Hämoglobinen wie z.B. dem Sichelzell-Hämoglobin (HbS) oder dem Hb Lepore auf.

Die meisten heterozygoten Träger einer Beta-Thalassämie werden zufällig bei einer Routineuntersuchung entdeckt. Im Blutbild fällt eine Mikrozytose und/oder einer Hypochromie – teilweise auch ein erniedrigter Hb-Wert – auf. Im Rahmen der Diagnostik sollte zuerst ein Eisenmangel durch die Bestimmung des Serum-Ferritins ausgeschlossen werden, der die häufigste Ursache einer hypochromen mikrozytären Anämie darstellt. Im Vorfeld kann bereits durch den Mentzer-Index abgeschätzt werden, ob es sich eher um eine Eisenmangelanämie oder eine Beta-Thalassämie handelt.

Mentzer-Index MI = (MCV [fl] / Erythrozytenzahl [T/l])
MI > 13  Hinweis auf Eisenmangel, MI < 13 Hinweis auf Thalassämie

Ist ein Eisenmangel ausgeschlossen, kann durch eine Hb-Differenzierung das Vorliegen einer Hämoglobinopathie untersucht werden. Häufig stellt sich die Frage nach der Anlageträgerschaft einer Hämoglobinopathie erst im Rahmen eines Kinderwunsches, entweder aufgrund einer positiven Familienanamnese oder durch die ethnische Herkunft. Bei einer bereits bestehenden Schwangerschaft ist eine zügige Diagnostik wichtig, um so früh wie möglich das Risiko einer schweren Form einer Hämoglobinopathie bei Nachkommen abschätzen zu können. Die detaillierte diagnostische Vorgehensweise zur allgemeinen Diagnostik von Hämoglobinopathien und zur Vorgehensweise bei Paaren mit Kinderwunsch ist in den folgenden Flussdiagrammen dargestellt.

Abb.: Flussdiagramm zur allgemeinen Diagnostik von Hämoglobinopathien.
Abb.: Flussdiagramm zur Diagnostik von Hämoglobinopathien bei Paaren mit Kinderwunsch.

Da Hämoglobinopathien in den verschiedenste Kombinationen auftreten können, sollten die hämatologischen Befunde immer mit den Ergebnissen aus der Molekulargenetik abgeglichen und auf Validität geprüft werden.

Beta-Thalassämie
1 Gen
HBB


zum Auftrag
Erkrankung
ICD—10
Gen
OMIM—G
Beta-ThalassämieD56.1HBB141900
Literatur

letzte Aktualisierung: 11.3.2024