Sotos-Syndrom / Weaver-Syndrom

Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. biol. hum. Soheyla Chahrokh-Zadeh, M. Sc. Anna Munzig

Wissenschaftlicher Hintergrund

Das Sotos-Syndrom ist ein kindliches Großwuchs-Syndrom mit Makrozephalie, charakteristischen kraniofazialen Merkmalen, einer leichten mentalen Retardierung (IQ durchschnittlich 76), häufig einem vorgereiften Knochenalter und einer normalen Größe im Erwachsenenalter. Die Kopfform ist  schmal  und lang (dolichozephal), die Stirn hoch und breit mit v.a. seitlich zurückweichendem Stirnhaaransatz, das Kinn betont und spitz. Der Augenabstand wirkt verbreitert, die Lidachsen verlaufen nach außen unten. Der Gaumen ist spitzbogig und hoch. Hände und Füße sind groß, die Gelenke oft überstreckbar. Im Säuglingsalter treten gehäuft Ernährungsprobleme auf. Etwa 50% der Kinder haben Krampfanfälle, in der Hälfte bei Fieber. Angeborene Fehlbildungen wie Herzfehler sind selten. Es wird über eine etwas erhöhte Tumorrate berichtet, wobei verschiedene Gewebe betroffen sind. Im Verhalten wird oft gesteigerte Ängstlichkeit, aber auch Hyperaktivität und Aggressivität beschrieben. Ursache für das Sotos-Syndrom sind in 75-90% Nukleotidveränderungen oder Deletionen im NSD1-Gen (nuclear-receptor-binding-SET-domain-containing protein 1) in 5q35, wobei Patienten in Mitteleuropa und USA zu 60 bis 80% Nukleotidveränderungen, zu ca. 10% Deletionen tragen, bei japanischen Patienten werden in über 50% Mikrodeletionen als Ursache gefunden. Die Häufigkeit des Sotos-Syndroms wird auf 1:10.000 bis 1:50.000 geschätzt. Das Wiederholungsrisiko für Geschwister ist gering, da die Nukleotidveränderungen bzw. Deletionen meist neu entstehen.

Als mögliche Differenzialdiagnose könnte das Weaver-Syndrom (WVS; OMIM 277590) in Erwägung gezogen werden, eine seltene, autosomal-dominante Erkrankung, die durch Hochwuchs, variable Intelligenzminderung und charakteristische Gesichtsdysmorphie gekennzeichnet ist. Als ursächlich für einen Großteil der Fälle von Weaver-Syndrom sind pathogene Varianten im EZH2-Gen (enhancer of zeste, Drosophila, homolog 2; OMIM 601573). Eine genetische Heterogenität kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Literatur

Lane & Freeth 2019, Chromatin Signaling and Neurological Disorders, Vol 7, pp. 219 / Tatton-Brown et al., Gene Reviews / Imagawa et al. 2017, Hum Mutat 38:637 / Leventopoulos et al. 2009, Pediatr Neurol 40:357 / Tatton-Brown et al. 2007, Eur J Hum Genet 15:264 / Baujat et al. 2007, Orphanet Journal of rare diseases 2:36 / Visser et al. 2005, Am J Hum Genet 76:52 / Rio et al. 2003, J  Med Genet 40:436 / Kurotaki et al. 2002, Nat Genet 30:365

V.a. Sotos-Syndrom bzw. Weaver-Syndrom

Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben

  • Diagnose: Sotos-Syndrom
    (ICD-10 Code: [Q87.3])
  • Auftrag: Molekulargenetische Diagnostik bei V.a. Sotos-Syndrom und/oder
  • Auftrag: Molekulargenetische Diagnostik bei V.a. Weaver-Syndrom

Hinweis:
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich

1 ml EDTA-Blut
2 ml Heparin-Blut (nur bei FISH-Analyse)