CHARGE-Syndrom (Hall-Hittner-Syndrom)
Dr. med. Imma Rost, Dr. rer. nat. Christoph Marschall
Wissenschaftlicher Hintergrund
Das CHARGE-Syndrom (Hall-Hittner-Syndrom) wird autosomal-dominant vererbt, tritt aber in den meisten Fällen sporadisch mit einer Häufigkeit von ca. 1:10.000 auf. Das Akronym CHARGE steht für Coloboma, Heart defect, Atresia choanae, Retarded growth, Genital hypoplasia und Ear anomalies. Nach Verloes (2005) sind Hauptkriterien Colobome, Choanalatresie und Hypoplasie der Bogengänge, Nebenkriterien Funktionsstörungen im Bereich des Hirnstammes wie z.B. Paresen im Bereich des VII. bis XII. Hirnnerven, Taubheit, Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse, die Wachstumshormon und Gonadotropine einschließen, Anomalien im Bereich des äußeren und Mittelohres, Fehlbildungen mediastinaler Organe wie Herz und Ösophagus und mentale Retardierung. Die Diagnose trifft zu, wenn drei Hauptkriterien oder zwei Haupt- und zwei Nebenkriterien vorliegen. Die klinische Variabilität ist groß. Die Lebenserwartung ist abhängig vom Schweregrad der Fehlbildungen; bis zu einem Drittel der Betroffenen versterben innerhalb des ersten Lebenshalbjahres. Meist besteht eine psychomotorische Entwicklungsverzögerung, gelegentlich liegt die Intelligenz im Normbereich.
Bei 60 bis 70 % der Patienten werden pathogene Varianten im CHD7-Gen gefunden. (CHD: Chromodomäne, ATPase/ Helicase- und eine DNA-bindende Domäne). CHD-Proteine, die der Familie der Chromatin Remodeling Faktoren angehören, beeinflussen Chromatin-Struktur und Genexpression und haben damit eine wichtige Funktion in der Embryonalentwicklung. Die Varianten erstrecken sich über die gesamte codierende Region (Exons 2-38) des CHD7-Gens. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um trunkierende Varianten, die zu einem vorzeitigen Abbruch der Proteinsynthese führen. In 1-2% der Fälle liegen Deletionen vor. Es gibt keine Genotyp-Phänotyp-Korrelationen. In mindestens einem Fall wurde ein Keimzellmosaik nachgewiesen, so dass auch bei fehlendem Variantennachweis bei den Eltern ein geringes Wiederholungsrisiko nicht ausgeschlossen werden kann.
Literatur
Moccia et a. 2018, Genet Med 20:1022 / Butcher et al. 2017, Am J Hum Genet 100:773 / Hale et al. 2016, Am J Med Genet A. 170:344 / Hsu et al. 2014, J Paediatr Child Health 50:504 / Schulz et al. 2014, Hum Genet 133:997 / Pauli et al. 2009, Clin Genet 75:473 / Wincent et al. 2009, Eur J Med Genet 52:271 / Sanlaville et al. 2007, Eur J Hum Genet 15:389 / Blake et al. 2006, OJRD 1:34 / Aramaki et al. 2006, J Pediatr 148:410 / Jongmans et al. 2006, J Med Genet 43:306 / Lalani et al. 2006, Am J Hum Genet 78:303 / Verloes et al. 2005, Am J Med Genet 133A:306 / Vissers et al. 2004, Nat Genet 36:955
Untersuchungsauftrag A1
Humangenetik / Transfusionsmedizin / Pathologie
(8 Seiten, DIN A4)
V.a. CHARGE-Syndrom gemäß den diagnostischen Kriterien
Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben
- Diagnose: CHARGE-Syndrom
(ICD-10 Code: [Q87.8]) - Auftrag:
Stufe I: Sequenzierung CHD7-Gen
und/oder
Stufe II: MLPA-Analyse CHD7-Gen
Hinweis:
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich
1 ml EDTA-Blut
Stufe I: 3-4 Wochen
Stufe II: weitere 2 Wochen