Primäre Hypertriglyzeridämien

Synonyme: -
Material
Untersuchungsdauer
Untersuchungsauftrag
Methode
Standort
Anforderung
Kurzbeschreibung

Die familiäre Hypertriglyzeridämie ist eine Erkrankung mit leicht bis moderat erhöhten Triglyzeridwerten und oft erniedrigtem HDL-Cholesterin, deren genetische Ursachen bisher unbekannt sind. Die Hypertriglyzeridämie kann auf einer heterozygoten Genveränderung oder der kumulativen Auswirkung mehrerer Genvarianten basieren. Bei Triglyzeridwerten ab 900 mg/dl spricht man von einer schweren Hypertriglyzeridämie, zu der auch das Chylomikronämie-Syndrom zählt. Dieses kann durch pathogenen Varianten in den Genen LPL, APOC2, APOA5, GPIHBP1 oder LMF1 verursacht werden. Diese Gene spielen eine wichtige Rolle im Triglyzerid-Katabolismus. Die polygene Chylomikronämie wird durch die Akkumulation mehrerer genetischer Faktoren verursacht und kann auch mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Primäre Hypertriglyzeridämien (nach Fredrickson HLP Typ 4) können folgendermaßen unterteilt werden:

Bei der familiären Hypertriglyzeridämie handelt es sich um eine leichte bis moderate Form mit Triglyzeridwerten bis 500 mg/dl (5,65 mmol/l) und oft erniedrigtem HDL-Cholesterin. Liegen keine anderen Risikofaktoren vor, besteht kein erhöhtes Atheroskleroserisiko. Genetische Ursachen sind bisher nicht bekannt.

Bei der milden bis moderaten Hypertriglyzeridämie liegen die Werte der Triglyzeride zwischen ca. 200 mg/dl bis ca. 900 mg/dl. Sie kann auf einer heterozygoten Gen-Veränderung, die bereits einen Phänotyp verursacht oder der kumulativen Auswirkung mehrerer Gen-Varianten basieren, die für sich alleine wenig Einfluss auf den Phänotyp ausüben. Bei der letztgenannten Form handelt es sich um polygene Veränderungen mit sekundären Auslösefaktoren, an der möglicherweise mehr als 30 Gene beteiligt sein können.

Bei Triglyzeridwerten ab 900 mg/dl (> 10 mmol/l) spricht man von einer schweren Hypertriglyzeridämie. Hierzu zählt auch das Chylomikronämie-Syndrom. Werden solch hohe Konzentrationen bereits im Kindes- oder im jungen Erwachsenenalter (< 40 Jahren) festgestellt, gilt eine primär monogene Ursache als wahrscheinlich. Eine frühzeitige Atherosklerose wird trotz der hohen Triglyzeridwerte nicht entwickelt. Hier steht die Reduktion des Pankreatitisrisikos im Vordergrund der Therapie.

Das Chylomikronämie-Syndrom zählt zu der schweren Hypertriglyzeridämie und lässt sich in zwei primäre Formen einteilen, die monogene und die polygene Chylomikronämie. Erstere ist eine sehr seltene, autosomal-rezessiv vererbte Störung des Chylomikronen-Stoffwechsels (auch familiäres Chylomikronämie-Syndrom oder Hyperchylomikronämie-Syndrom genannt; ehemals Typ I Hyperlipidämie), die in der Kindheit oder Jugend auftritt und häufig durch homozygote oder kombiniert-heterozygote pathogene Varianten im LPL-Gen oder dessen Cofaktoren APOC2, APOA5GPIHBP1 oder LMF1 verursacht wird. Diese Gene spielen eine wichtige Rolle im Triglyzerid-Katabolismus. Laborchemisch ist die Erkrankung durch extrem erhöhte Serumkonzentrationen von Triglyceriden (bis 30.000 mg/dl) und ein milchig-rahmiges Serum gekennzeichnet. Die Diagnose wird meist im Zusammenhang mit rezidivierenden Pankreatitiden (DD: hereditäre Pankreatitis) gestellt. Eruptive Xanthome und Hepatomegalie sind weitere häufige klinische Manifestationen; anamnestisch wird nicht selten eine Milchunverträglichkeit in der Kindheit angegeben. Die Therapie der pankreatitischen Beschwerden besteht in fettarmer Diät und Alkoholkarenz. In besonders schweren Fällen kann eine Lipid-Apherese indiziert sein. Zuvor sollten sekundäre Ursachen wie z.B. Leber- und Nierenerkrankungen, Alkoholabusus, Pankreatitis und Diabetes mellitus, die eine bestehende mäßige Hypertriglyzeridämie zur Entgleisung bringen können, ausgeschlossen werden. Die polygene Chylomikronämie (auch gemischte Dyslipidämie; ehemals Typ V Hyperlipidämie), die als “late-onset” bezeichnet wird und häufiger als die monogene Form auftritt, wird durch Akkumulation mehrerer genetischer Faktoren verursacht. Oben genannte sekundäre Faktoren können diese zusätzlich negativ beeinflussen. Auch hier besteht ein erhöhtes Risiko für eine Pankreatitis. Zudem kann die polygene Form auch mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen.

Eine wichtige Rolle beim hydrolytischen Abbau von triglyceridreichen Lipoproteinen, insbesondere von Chylomikronen, spielt das hepatische Enzym Lipoproteinlipase (Lpl), welches auf den Endothelzellen extrahepatischer Kapillaren vorhanden ist. Ursache für eine schwere Hypertriglyzeridämie sind homozygote oder gemischt heterozygote pathogene Varianten imLPL-Gen (LPL-Defizienz). Sekundär kann Lpl-Mangel auch durch pathogene Varianten im APOC2-Gen (APOCII-Defizienz), dem wichtigsten Kofaktor für Lpl, verursacht werden. Des Weiteren sind Varianten im GPIHBP1-Gen beschrieben, die zu einem Defekt des Transporters (glycosylphosphatidylinositol anchored high density lipoprotein binding protein 1, GPIHBP1) der Lipoproteinlipase führen, sowie Varianten im LMF1-Gen (lipase maturation factor-1), die mit einer kombinierten Lipase-Defizienz assoziiert sind, oder in seltenen Fällen Varianten im APOA5-Gen. ApoA5 ist an der Hydrolyse von triglyceridreichen Lipoproteinen durch Ansteigen der Lpl-Aktivität beteiligt.

Bei einer Therapie der Hypertriglyzeridämie mit Fibraten, die über eine transkriptionelle Aktivierung der Lpl-Genexpression wirken und die Triglyzeride um bis zu 40% senken können, ist zu beachten, ob ein funktionelles LPL-Allel ggf. mit Restaktivität vorhanden ist. Für die Bestimmung der Lpl-Aktivität in vitro ist eine Lösung des Enzyms von seinen Heparin-Sulfat-Bindungsstellen vor der Blutentnahme erforderlich (post-Heparin Lpl-Aktivität). Dabei sind die korrekten Abnahmebedingungen zu beachten sowie das sofortige Einfrieren der EDTA-Plasma-Probe in Trockeneis oder flüssigem Stickstoff zu gewährleisten.

Seit 2012 steht eine in Europa zugelassene Gentherapie für bestimmte Patienten mit einer genetisch gesichterten LPL-Defizienz unter dem Handelsnamen Glybera (Alipogentiparvovec) zur Verfügung. Hierbei wird über einen adenoassoziierten Virusvektor eine Wildtyp-Kopie des LPL-Gens in Zellkerne von Muskelzellen eingebracht.

Primäre Hypertriglyzeridämien
5 Gene
APOA5
APOC2
GPIHBP1
LMF1
LPL


zum Auftrag
Erkrankung
ICD—10
Gen
OMIM—G
GPIHBP1-DefizienzE78.3GPIHBP1612757
kombinierte Lipase-DefizienzE78.3LMF1611761
Apolipoprotein C-II-DefizienzE78.3APOC2608083
weitere Inhalte anzeigen
Literatur

letzte Aktualisierung: 4.11.2023