Prämature Ovarialinsuffizienz (POI)
Dr. rer. nat. Annett Wagner, Dr. med. Imma Rost
Wissenschaftlicher Hintergrund
Mit bis zu 40% zählen ovarielle Störungen zu den wichtigsten Sterilitätsfaktoren bei der Frau. Die vorzeitige Ovarialinsuffizienz (Prämature Ovarialinsuffizienz, POI) äußert sich durch eine sekundäre Amenorrhoe und tritt bei ca. 1 % aller Frauen vor dem 40. Lebensjahr auf. Ursache ist eine Störung im Hypothalamus-Hypophyse-Ovar-Regelkreis. Charakteristischerweise zeigt sich biochemisch ein hypergonadotroper Hypogonadismus. Aus dieser Konstellation ergeben sich neben der Infertilität klimakterische Beschwerden (Climacterium praecox) und z. T. weitere neurologische, metabolische und kardiovaskuläre Symptome.
Die Ursachen sind wie folgt:
- ca. 20-25 % genetisch bedingt
- ca. 10-15 % werden durch Autoimmunreaktionen hervorgerufen
- 30-40 % sind iatrogen
- 40-60 % idiopathisch bedingt
Verschiedene Gene auf dem X-Chromosom tragen zur ovariellen Funktion bei. POI tritt z.B. bei 4-5 % der Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom auf, bei denen keine primäre Amenorrhoe vorlag, sowie bei partiellen X-Monosomien.
Prämutationen (CGG-Repeat von 55-200 Wiederholungen) im FMR1-Gen sind mit 10-15 % derzeit die häufigste Ursache für eine vorzeitige Ovarialinsuffizienz. Etwa 20 % aller Prämutationsträgerinnen entwickeln eine POI. Bei Frauen mit einer sporadischen POI werden in 0,8-7,5 % der Fälle Prämutationen gefunden. Bei Frauen mit familärer POI beträgt die Häufigkeit einer Prämutation bis 13 %. Bei Kinderwunsch ist eine genetische Beratung angezeigt, da sowohl ein erhöhtes Risiko für Kinder mit einem Fragilen-X-Syndrom, als auch ein Risiko für das Eintreten der Menopause vor Realisierung des Kinderwunsches besteht.
In einem weiteren Kandidatengen, BMP15 (Human Bone Morphogenetic Protein-15, Region Xp11.2), konnte bei 2 % der Frauen mit POI eine relevante pathogene Variante nachgewiesen werden. Das Gen enthält zwei Exons und codiert für einen Oozyten-spezifischen Wachstums- und Differenzierungsfaktor, der die Follikelgenese und das Granulosazellwachstum stimuliert.
Bei Patientinnen mit vorzeitiger Ovarialinsuffizienz wurden pathogene Varianten im FSHR-Gen (Follikel-Stimulierendes-Hormon-Rezeptor-Gen) nachgewiesen. Dieses Gen befindet sich auf Chromosom 2p21-p16 und besteht aus 10 Exons. Der intakte Rezeptor ist Voraussetzung für eine normale Gonadenentwicklung, Keimzellproduktion und sexuelle Reifung in der Pubertät.
Des Weiteren sind pathogene Varianten in einer Reihe anderer Gene im Zusammenhang mit POI beschrieben, die eine diagnostische Sensitivität von je 1-2 % haben. Die Analyse der Gene BMP15, FSHR sowie INHA, DIAPH2, FOXL2, NOBOX, FIGLA, NR5A1, STAG3, SOHLH1, SOHLH2, GDF9, LHCGR und ESR1 können im Rahmen eines Genpanels angefordert werden.
Literatur
Rossetti et al. 2017, Clin Genet 91: 183 / Ledig et Wieacker 2011, Med Gent 2:237 / Rossetti et al. 2009, Hum Mutat 30:804 / Lussiana et al. 2008, Obstet Gynecol Surv 63:785 / Dixit et al. 2006, Hum Genet 119:408 / Layman 2006, J Clin Endocrinol Metab 91:1673
Untersuchungsauftrag A1
Humangenetik / Transfusionsmedizin / Pathologie
(8 Seiten, DIN A4)
V. a. vorzeitige Ovarialinsuffizienz
Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben
- Diagnose: Prämature Ovarialinsuffizienz (POI)
(ICD-10 Code: [E28]) - Auftrag:
Stufe I: Southern Blot-Analyse, PCR und Fragmentlängen-Analyse FMR1
Stufe II: molekulargenetische Diagnostik prämature Ovarialinsuffizienz
Hinweis:
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich
5 ml EDTA-Blut
Stufe I: 3-6 Wochen
Stufe II: 3-6 Wochen