Azoospermie
Dr. rer. nat. Annett Wagner
Wissenschaftlicher Hintergrund
Etwa 0,6-1% aller infertilen Männer weisen Mikrodeletionen in der Azoospermiefaktor (AZF)-Region des Y-Chromosoms auf. Die Prävalenz von AZF-Deletionen beträgt bei nicht-obstruktiver Azoospermie 15-20%, bei schwerer Oligozoospermie etwa 7-10%. In der AZF-Region liegen die für die Spermatogenese unentbehrlichen Gene DAZ und RBM. Deletionen in diesem Bereich führen zu testikulärem Maturationsarrest der Spermatogonien oder sind mit der Bildung von unreifen, kondensierten Spermien assoziiert.
Durch die Amplifikation von insgesamt sechs Y-chromosomalen Markern aus den Regionen AZFa, AZFb und AZFc können etwa 90% der bekannten Deletionen nachgewiesen werden. Deletionen der AZFa- bzw. AZFb-Region führen obligat zu einer Azoospermie, so dass eine testikuläre Spermienextraktion (TESE) bei Kinderwunsch nicht erfolgsversprechend zu sein scheint. Im Gegensatz dazu führen AZFc-Deletionen zu einem sehr heterogenen Bild, das von schwerer Oligozoospermie bis hin zu einer Azoospermie reicht. Bei etwa 50% der Männer mit AZFc-Deletionen können im Rahmen einer Hodenbiopsie mit TESE (Testikuläre Spermien-Extraktion) Spermien gefunden werden. Deletionen in der AZFc-Region werden nach einer künstlichen Befruchtung mittels ICSI (intracytoplasmatische Spermieninjektion) an männliche Nachkommen weitergegeben.
Weitere bekannte Ursachen für eine Azoospermie sind pathogene Varianten in den Genen AR, DMRT1, M1AP, NR5A1, TEX11 und TEX14. Bei Patienten ohne AZF-Deletion kann die Untersuchung dieser Gene im Rahmen einer Multi-Gen-Analyse mittels NGS erfolgen. Differentialdiagnostisch sollte auch die Durchführung einer Chromosomenanalyse zum Ausschluss bzw. Nachweis eines Klinefelter-Syndroms in Betracht gezogen werden, da bei über 90% der Betroffenen eine Azoospermie vorliegt.
Literatur
Colaco and Modi 2018, Reprod Biol Endocrinol 16:14 / Schwarzer et al. 2016, Andrologia 48:402 / Krausz et al. 2014, EAA/EMQN best practise guidelines, Andrology 2:5 / Navarro-Costa et al. 2010, J Biomed Biotechnol 2010:936569 / Tüttelmann et al. 2008, Urologe 47:1561 / Simoni et al. 2004, Int J Androl 27:240
Untersuchungsauftrag A1
Humangenetik / Transfusionsmedizin / Pathologie
(8 Seiten, DIN A4)
Infertile Männer mit nicht-obstruktiver, idiopathischer Azoospermie, schwerer Oligozoospermie, Kryptozoospermie, Sertoli Cell Only-Syndrom, OAT (Oligoasthenoteratozoospermie)-Syndrom
Ü-Schein Muster 10 mit folgenden Angaben
- Diagnose: Azoospermie (ICD10-Code: [N46])
- Auftrag:
Stufe I: AZF-Deletionsanalyse
Stufe II: molekulargenetische Diagnostik Azoospermie
Hinweis:
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich
1 ml EDTA-Blut
Stufe I: 2 Wochen
Stufe II: 3-6 Wochen